Schadensersatz für geschädigte Landwirte
Anmeldefrist für Sammelklage gegen Pflanzenschutzmittel-Kartell verlängert,
die Sammelklage gegen das aufgedeckte Pflanzenschutzmittel-Kartell nimmt weiter Fahrt auf: Immer noch schließen sich durchschnittlich 100 geschädigte Landwirtschaftsbetriebe pro Woche dem unilegion Bauernbündnis Pflanzenschutz an, um sich gegen jahrelange Preisabsprachen von Großhändlern für überteuerte Pflanzenschutzmittel zu wehren. Allein im Monat März kamen über 600 Anmeldungen hinzu. Aufgrund dieser weiter hohen Nachfrage verlängert der Rechtsdienstleister unilegion die Anmeldefrist noch bis zum 15. Mai 2023, bevor die Klage im Spätsommer 2023 eingereicht werden soll. Bundesweit haben sich bereits über 2.600 betroffene landwirtschaftliche Betriebe – mit insgesamt ca. 650.000 Hektar Agrarfläche und einem Einkaufsvolumen von ca. 750 Millionen Euro – der Sammelklage angeschlossen. Schätzungsweise wurden insgesamt über 250.000 deutsche Landwirte, die im Zeitraum von 1998 bis 2015 Pflanzenschutzmittel (PSM) erworben haben, Opfer der überhöhten Kartellpreise.
Das Bundeskartellamt deckte vor zwei Jahren erstmals die jahrelangen rechtswidrigen Preisabsprachen von insgesamt neun Großhändlern auf, darunter u. a. AGRAVIS und BayWa. Anfang 2020 wurden sie zu Bußgeldern von insgesamt ca. 157 Millionen Euro verurteilt, alle beteiligten Großhändler haben den Verstoß inzwischen eingeräumt. Kartellabsprachen führen üblicherweise zu künstlich überhöhten Preisen und so ist davon auszugehen, dass alle Landwirte, die im Zeitraum von 1998 bis 2015 Pflanzenschutzmittel erworben haben, mit Rückzahlungen rechnen können.
Die vom unilegion Bauernbündnis Pflanzenschutz finanzierte Sammelklage gegen das PSM-Kartell soll auch kleinen und mittelständischen geschädigten Betrieben ermöglichen, ihre Rückzahlungsansprüche zu verfolgen. Das Besondere an der Münchener Initiative ist, dass die Landwirte risikofrei an der Sammelklage gegen die Großhändler teilnehmen können und auch keine Verträge mit ausländischen Finanzierern abschließen müssen. So handelt es sich bei dieser Sammelklage nicht um eine Klagegemeinschaft, sondern um ein sog. Abtretungsmodell. Im Gegensatz zu einer Klagegemeinschaft, bei der die geschädigten Landwirte selbst als Partei vor Gericht stehen (wie bei einer Einzelklage) und daher ein Kostenrisiko tragen (falls der Finanzierer im Unterliegensfall den Bauern „im Regen stehen lässt“), gibt es beim Abtretungsmodell nur einen Kläger, in diesem Fall unilegion, die für die Landwirte vor Gericht geht. Die Landwirte müssen weder als Partei vor Gericht aktiv werden, noch tragen sie ein Kostenrisiko im Falle einer Niederlage – dieses übernimmt unilegion komplett. Das Bauernbündnis wird dabei vor Gericht von der Großkanzlei Taylor Wessing vertreten.
„Die rege Teilnahme der Landwirte gibt uns Rückenwind und bestärkt uns in dem Plan, für Transparenz und Fairness auf dem Markt einzutreten. Auch für große Unternehmen gelten Regeln und Gesetze, für deren Einhaltung wir uns gemeinsam mit den Landwirten und unseren Partnern starkmachen“, so Katharina Fröhlich, Geschäftsführerin bei unilegion, und ergänzt: „Die Landwirte müssen nur den Kauf der Pflanzenschutzmittel nachweisen, dann übernehmen wir. Ihr Aufwand hält sich sehr in Grenzen, daher können wir die noch unentschlossenen Betriebe nur ermutigen, den Kampf gegen ‚die Großen` mit aufzunehmen. Im Segment über 100 ha sind bislang schätzungsweise 25 % der Landwirte aktiv geworden. Noch verbleiben ein paar Wochen, sich unserer Sammelklage anzuschließen. Ansonsten besteht das Risiko, dass der größte Teil des damals bereits überzahlten Schadens unbeansprucht und uneingefordert in den Händen der Kartellanten verbleibt, die trotz Bußgeld damit sehr glücklich sein dürften. Dem wollen wir entschieden entgegentreten.“
Im Falle einer erfolgreichen Klage erhält unilegion eine Provision von 21 bis 32 Prozent des erstrittenen Schadensersatzbetrags. 68 bis 79 Prozent des Geldes werden direkt auf die beteiligten Landwirte aufgeteilt. Wieviel Schadensersatz erstritten werden kann, hängt von einer eingehenden wettbewerbsökonomischen Begutachtung – und dem Erfolg bei Verhandlungen mit den Kartellanten bzw. vor Gericht ab. Legt man Preisaufschläge zugrunde, wie sie aus anderen langlaufenden und flächendeckenden Preiskartellen bekannt sind, ist es möglich, dass die Betriebe bis zu 20 Prozent ihrer Kosten für Pflanzenschutzmittel, zuzüglich Zinsen, zurückerstattet bekommen können. Bei einer finalen Beteiligung von deutlich über 3.000 Landwirten dürfte eine Summe von mehr als 100 Millionen Euro Schadensersatz (zzgl. Zinsen) zusammenkommen.